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Von: Daniel Meyer
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Eine beschauliche Insel, freundliche Menschen und eine Runde Meditation nach der alles aus dem Ruder läuft. Welche Horror sich im Game The Chant verbergen, verraten wir euch im Test.
Vancouver, Kanada – Nicht etwa mit Zombies oder Dämonen bekommen wir es in The Chant zu tun, sondern mit parasitären, von negativer Energie zehrenden Wesen aus einer anderen Dimension. Neben gelegentlichen Schockmomenten und einem düster-psychologischen Setting will der Titel der kanadischen Entwicklerschmiede Brass Token auch mit massig Action, zahlreichen Rätseln, Erkundungselementen, Crafting und natürlich übernatürlichen Kräften punkten. Ob dieser Mix überzeugen kann, erfahrt ihr im Test.
Spieletitel: | The Chant |
Release-Datum:\t | 3. November 2022 |
Genre: | Horror, Action, Adventure |
Plattformen: | Xbox Series, PlayStation 5, PC |
Entwickler: | Brass Token |
Publisher: | Plaion |
The Chant im Test: Auf der Flucht vor den eigenen Dämonen
In The Chant schlüpfen wir in die Rolle der jungen Frau Jess, die emotional etwas angeschlagen ist. Immerhin wird sie von einem Trauma ihrer Vergangenheit heimgesucht und kommt nicht zur Ruhe. Eine Freundin überredet Jess schlussendlich, die Insel Glory Island aufzusuchen, wo ihr eine Art Gruppentherapie dabei helfen soll, ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Dass jedoch die Mitglieder der kleinen Gruppe auf der Insel alle barfuß und in weißen Leinen gekleidet rumlaufen, an Kristallenergien glauben und einem Guru folgen, hätte Jess ein erstes Warnsignal sein sollen.
Doch schlussendlich kommt in the Chant alles anders als man hätte vorherahnen können. Nicht etwa befinden wir uns in den Fängen einer fiesen Sekte, sondern genau diese Kristalle öffnen im Rahmen eines abendlichen Meditations-Rituals plötzlich ein Portal in eine andere Dimension. In dieser lauern Wesen, die sich von negativer menschlicher Energie ernähren. Und so kommt es wie es kommen muss: auf der Insel lauert es bald von zahllosen finsteren Kreaturen und unsere kleine Selbsthilfegruppe findet sich alsbald in akuter Lebensgefahr.
The Chant: Verschenktes Potential durch maue Horror-Elementen
Nach dem fehlgeschlagenen Ritual herrscht Chaos. Fortan liegt es an uns die Gruppe wieder zusammen zu bringen. Dies ist jedoch einfacher gesagt als getan, denn die anderen Teilnehmer verbergen selbst Narben der Vergangenheit, was die interdimensionalen Wesen nur allzu gerne ausnutzen.
So bekommen die Inselgänger bspw. Dinge gezeigt, die nicht real sind und wir sind gezwungen, unsere neuen Freunde aus den Fängen der finsteren Kreaturen zu befreien – vor allem brauchen wir aber deren Kristalle, die benötigt werden, um das Ritual abzuschließen und das Grauen zu beenden.
Im Laufe des Spiels erforschen wir jeden Winkel der verzweigten Insel. Viele der Kreaturen lauern in einem mysteriösen interdimensionalen Nebel, andere machen außerhalb dessen Jagd auf uns. Wer jetzt jedoch ein herausragendes Horror-Game erwartet, wird leider bitterlich enttäuscht.
Eher siedelt sich The Chant im Bereich klassischer Action-Adventures mit Horror-Elementen an, denn wirklich gruselig wird der Titel so gut wie nie. Gelegentliche Jump-Scare-Momente sind noch am wirkungsvollsten. Etwas bedrückender sind hingegen die Stimmen im Nebel, die den Charakter emotional treffen sollen, doch auch dies gelingt nur bedingt.
Der wahre Horror dies Spiels versteckt sich in The Chant in einem gänzlich überraschenden Element: dem Charakterdesign. Es wirkt fast so, als hätte es sich der Entwickler Brass Token zur Aufgabe gemacht, das Proletariat Amerikas abzubilden. Egal ob arroganter Egomane, dümmliches Naivchen oder Impfgegner – bei diesem Ensemble klingt ein derber Hauch Satire mit.
Entsprechend fällt es im Laufe des Spiels oft recht schwer, etwas Mitgefühl für die Charaktere zu entwickeln – so dass wir als Spieler emotional nur oberflächlich in die Geschehnisse eingebunden werden.
The Chant fokussiert bewährte Gameplay Mechaniken
Abseits der eher mauen Horror-Elemente kommt das Gameplay sehr solide daher und orientiert sich insbesondere an klassischen Genrevertretern wie Silent Hill und Resident Evil. So gilt es regelmäßig Schlüssel zu suchen und Rätsel zu lösen und in action-geladenen Kämpfen können wir neben dem Ausweichen und Angreifen auch noch Items und Fähigkeiten zu unserem Vorteil nutzen. Zu den Items gehören bspw. Salz zum kurzfristigen Betäuben von Gegnern, sowie kleine Bomben zum Anrichten von massivem Schaden.
Bei den Fähigkeiten wird das Ganze deutlich interessanter, erhalten wir im Verlauf des Spiels doch sechs übernatürliche Skills. So können wir Stacheln aus dem Boden beschwören und Gegner aufspießen, Feinde verlangsamen oder parasitäre Projektile verschießen. Für diese Skills benötigen wir jedoch spirituelle Energie, die wir durch spezielle Pilze wieder aufladen können. Ähnlich verhält es auch mit unserer physischen und geistigen Gesundheit, die durch entsprechende Items wieder regenerieren.
Eine interessantere Mechanik in The Chant unsere geistige Gesundheit dar, die wir in dunklen Arealen sowie beim Aufenthalt im interdimensionalen Nebel verlieren. Auf dem Tiefstwert erfährt Jess eine Panikattacke und muss sich in Sicherheit bringen. Entsprechend wichtig ist alle auffindbaren Ressourcen mitzunehmen, da diese Werte wieder herstellen können und zum Crafting nützlich sind. Im Laufe von The Chant können durch prismatische Kristalle, die überall im Spiel versteckt sind, zudem ein rudimentärer Fähigkeitsbaum gelevelt werden. Dies verbessert bspw. die Wirksamkeit von Items sowie die Anzahl die wir tragen können.
Fazit
Esoterik und Energiekristalle statt Zombies oder Dämonen - klingt komisch, doch der Ansatz, den Brass Token mit The Chant verfolgt, ist nicht abwegig und als Basis für eine Story durchaus neu. Dabei forciert der Titel altbekannte Gameplay-Mechaniken wie wir sie aus zahlreichen anderen Genrevertretern bereits kennen, ohne jedoch das Rad neu zu erfinden.
Schade ist dabei, dass das Studio es nicht schafft, uns aus unserer Komfortzone herauszuholen. Die Atmosphäre lädt selten zum Schaudern ein und es gibt einfach keine wirklichen Spannungsspitzen. Stattdessen bekommen wir es mit gelegentlichen uninspirierten Jump Scares zu tun, an denen The Chant bereits nach wenigen Spielstunden selbst das Interesse verliert.
Auch das ständige Aufpoppen von Gegnern in gerade besuchten Bereichen fängt schnell an zu langweilen. Ironischerweise tragen in The Chant die menschlichen Charaktere am meisten zum Horror bei – aber dieses Warnzeichen hätte beim Thema „Kristall-Energie“ bereits klar sein sollen, auch wenn dies bisweilen sehr realistisch wirkt.
Ebenso werden im Gameplay Potentiale verschenkt: anstelle zu schleichen wird umgeknüppelt, statt eines atmosphärischen Gruselns präsentiert man uns laienhafte Ekelmomente. Im Endeffekt wurde zu wenig gewagt, um klar aus der Masse herauszustechen. Mit rund 10 Stunden Spielzeit lässt sich The Chant zumindest als kleiner Happen für Zwischendurch empfehlen, doch mehr als einen soliden Titel sollte man nicht erwarten.