Ein unverbrauchtes Setting, unorthodoxe Waffen und ein packendes Survival-Horror-Erlebnis. Das verspricht The Chant. Wir haben uns mit Protagonistin Jess auf die Insel gewagt und berichten euch im Test von unseren Eindrücken.
Inhalt
The Chant – Reif für die InselThe Chant – wie ein B-MovieThe Chant – Grusel geht andersThe Chant – ein bisschen Salbei hilft doch immer?
The Chant – Reif für die Insel
The Chant beginnt zunächst ganz harmlos. Wir schlüpfen Jess, die sich nach langem Zögern von ihrer Freundin Kim hat überzeugen lassen, ihr zu einem Retreat auf eine einsame Insel zu folgen. Dort möchte sie ein traumatisches Erlebnis aus ihrer Vergangenheit verarbeiten.
Auf der Insel angekommen, geht dann alles nach einem kurzen Kennenlernen der anderen Teilnehmer des Retreats sehr schnell. Das spiritistische Ritual vor dem Hintergrund einer ominösen Prismenlehre, das die Gruppe direkt an Jess‘ erstem Abend vollführt, geht (wie könnte es auch anders sein) furchtbar schief und öffnet den Zugang zu einer Nebelwelt, aus der allerlei Abscheulichkeiten auf die Insel strömen. In der Folge sind wir damit beschäftigt, nach und nach alle Mitglieder der Gruppe aus ihrer Besessenheit zu befreien, um die Kreaturen wieder in ihre Welt zu verbannen.
Das Setting von The Chant ist an sich erfrischend unverbraucht und verspricht ein spannendes Horrorerlebnis abseits der ewigen Zombie- oder Mutantenplagen, mit denen wir uns in den meisten Titeln des Genres herumschlagen. Leider wird das vielversprechende Setting aber nur ansatzweise ausgereizt, und das aus mehreren Gründen.
The Chant – wie ein B-Movie
Zunächst ist die Handlung ziemlich vorhersehbar und leider zu keiner Zeit wirklich packend. Damit einhergehend ist der Spielablauf auch sehr linear und zudem unspektakulär inszeniert. So erkunden wir nacheinander verschiedene Teile der Insel, in denen jeweils eines der Mitglieder des Retreats im Mittelpunkt steht. Spielerisch gestaltet sich das so, dass wir nacheinander ziemlich schlauchförmige Level auf der Suche nach Schlüsseln abklappern, die uns den Zugang ins nächste Areal eröffnen. Zwischendurch kehren wir immer wieder zum Zentrum der Insel zurück, das die verschiedenen Abschnitte miteinander verbindet. Ärgerlich ist hier das Fehlen einer Karte, denn wenn wir mal einen Schlüssel übersehen hatten, sind wir bisweilen ziellos durch die Gegend geirrt, bis wir diesen dann gefunden haben.
Zwar hat jeder Charakter sein eigenes Päckchen zu tragen und wir bekommen im jeweiligen Spielabschnitt auch mit, was ihnen auf der Seele liegt, aber letztlich läuft jede Erzählung nach dem gleichen Schema ab: Der Charakter hat irgendein traumatisches Ereignis erlebt, ist deshalb zum Retreat gekommen und verfällt letztlich dem Nebel. The Chant verschenkt hier das Potential seines unverbrauchten Settings, sodass die Story genauso gut aus einem B-Movie stammen könnte.
The Chant – Grusel geht anders
Nun kann ein Spiel trotz schwacher Story ja immer noch eine Menge Spaß machen, wenn denn die Inszenierung und das Gameplay stimmen. Doch auch in diesen Bereichen kann The Chant das eigentlich vorhandene Potential nur ansatzweise ausreizen. Denn das Gruseligste in The Chant sind zumeist die Gesichtsanimationen der Charaktere. Ansonsten kommt aber kaum richtiger Grusel auf.
Das liegt zum einen daran, dass wir kurz vor der Begegnung mit einem neuen Monstertyp netterweise durch strategisch auf der Insel platzierte Plakate auf die kommende Begegnung hingewiesen werden. Deshalb gibt es keine wirklich überraschenden Momente, die uns zusammenzucken lassen würden. Überraschungen erleben wir in The Chant ohnehin kaum, denn die Areale, in denen wir (bis auf ein paar Ausnahmen) überhaupt Monstern begegnen, sind immer klar durch verschiedenfarbige Nebel gekennzeichnet. Betreten wir das Nebelreich, so müssen wir stets ein Auge auf unsere Psyche haben. Sinkt diese nämlich auf null, verfällt Jess in Panik und uns bleibt nur die Flucht.
Die Nebelabschnitte sind dabei stets durch eine farbige Wand gekennzeichnet, die man glatt für einen Grafikfehler halten könnte, so sehr wirken sie im düsteren Setting der Insel deplatziert. Doch auch wenn wir in Panik verfallen, rennen wir einfach aus dem jeweiligen Nebelbereich heraus, erholen uns und gehen wieder rein. Die Kreaturen verfolgen uns nämlich nicht, sondern bleiben in ihrem Nebelareal. Eine der Ausnahmen bildet hier die Manifestation von Jess‘ Trauma.
Diese verfolgt uns nämlich in bestimmten Abschnitten auch außerhalb des Nebels. Das ist an sich eine coole Idee, allerdings lässt sie sich dabei so viel Zeit, dass wir nach kurzer Zeit einfach immer unbeeindruckt an ihr vorbeigelaufen sind. Insgesamt gelingt es The Chant einfach nicht, das Gefühl einer konstanten Bedrohung zu vermitteln, was aber die Grundzutat einer jeden gelungenen Survival-Horror-Erfahrung sein muss.
The Chant – ein bisschen Salbei hilft doch immer?
Auch im Nebel sind wir derweil aber keineswegs wehrlos. Wir zücken aber nicht die Schrotflinte oder werfen Granaten, sondern in The Chant kämpfen wir eher mit spiritistischen Mitteln wie Salbeifackeln oder rituellem Salz. Hinzu kommen einige übernatürliche Fähigkeiten, die wir im Laufe des Spiels freischalten. Die unorthodoxen Waffen sind dabei tatsächlich mal eine willkommene Abwechslung im Vergleich zu sonstigen Genrevertretern.
Zusammen mit der Möglichkeit authentisch ungelenker Ausweichmanöver und der Platzierung von Fallen bietet The Chant dann tatsächlich ein recht abwechslungsreiches Kampfsystem. Zumindest theoretisch, denn in der Regel stellen die Gegner keine große Herausforderung dar, sodass wir gar nicht aus dem Vollen schöpfen müssen. Auch hier wird also wieder viel Potential verschenkt. Zudem lassen sich Gegner, wie gesagt, meistens relativ problemlos abschütteln. Das hat in unserem Spieldurchlauf letztlich dazu geführt, dass wir öfter lieber einfach direkt an Gegnern vorbeigerannt sind, anstatt zu kämpfen.